Die Wiener Philharmoniker

Tradition

Kaum ein anderer Klangkörper wird dauerhafter und enger mit der Geschichte und Tradition der europäischen Musik in Verbindung gebracht als die Wiener Philharmoniker. Im Laufe ihres Bestehens erlebten und prägten die Mitglieder dieses in der „Hauptstadt der Musik“ beheimateten Ensembles das musikalische Geschehen durch eine Zeitepoche hindurch, die aufgrund der Vielzahl an genialen Komponisten und Interpreten in ihrer künstlerischen Bedeutung einmalig erscheint.

Vergrößern Wiener Horn

Die Verbundenheit der Wiener Philharmoniker mit der Musikgeschichte lässt sich in den Zitaten vieler herausragender musikalischer Persönlichkeiten eindrucksvoll nachvollziehen. Richard Wagner beschrieb das Orchester als „eines der allervorzüglichsten der Welt“, Anton Bruckner nannte es „den höchsten Kunstverein in der Musik“, Johannes Brahms bezeichnete sich als „Freund und Verehrer“ des Orchesters, Gustav Mahler fühlte sich „durch das Band der Kunst“ mit ihm verbunden, und Richard Strauss fasste zusammen: „Die Philharmoniker preisen heißt Geigen nach Wien tragen“.

Symbiose Wiener Staatsoper / Wiener Philharmoniker

Wenn Hans Knappertsbusch die Philharmoniker als „die Unvergleichlichen“ bezeichnete, trifft diese Aussage in mehr als einem Punkt zu, denn die Beziehung zwischen dem Orchester der Wiener Staatsoper und dem Verein der Wiener Philharmoniker ist weltweit einzigartig. So kann gemäß den philharmonischen Statuten nur ein Mitglied des Orchesters der Wiener Staatsoper Mitglied bei den Wiener Philharmonikern werden. Vor der Aufnahme in die private Vereinigung steht also ein erfolgreiches Probespiel für die Aufnahme in das Orchester der Wiener Staatsoper. Nachdem die angehenden Musikerinnen und Musiker diese Hürde genommen haben, gilt es, sich mindestens drei Jahre im täglichen Orchesterdienst zu bewähren, bevor sie einen Antrag auf Mitgliedschaft in den Verein der Wiener Philharmoniker stellen können. Die Unabhängigkeit der Philharmoniker, welche diese der festen Anstellung in der Oper verdanken, kommt der Oper wiederum zu Gute, denn die am Konzertpodium erarbeitete Qualität wirkt sich positiv auf das künstlerische Niveau der Opernvorstellungen aus. Ohne Wiener Staatsoper gäbe es die Wiener Philharmoniker in dieser Form nicht, und in Wien hat sich die Erkenntnis längst durchgesetzt, dass die Symbiose zwischen Staatsoper und Philharmonikern beiden Partnern Vorteile bringt und für das musikalische Leben der Stadt eine große Bereicherung darstellt.

Orchester der Wiener Staatsoper Vergrößern Orchester der Wiener Staatsoper © Michael Poehn
Vergrößern Wiener Philharmoniker mit Christian Thielemann

Demokratische Selbstverwaltung

Der eingeschlagene Weg der philharmonischen Selbstverwaltung und Demokratie wurde in rund 180 Jahren zwar modifiziert, aber nicht verlassen. Oberstes Gremium des Vereines ist die Hauptversammlung. Pro Saison finden neben der vom Gesetz vorgeschriebenen ordentlichen Hauptversammlung durchschnittlich fünf bis sechs außerordentliche Plenarsitzungen statt. Theoretisch kann in diesem Gremium jedes Problem diskutiert und abgestimmt werden. In der Praxis gibt es gewisse Modifikationen, werden doch zahlreiche Entscheidungen dem aus zwölf gewählten Orchestermitgliedern bestehenden Verwaltungsausschusses überlassen. Mit Ausnahme von Statutenänderungen (Vier-Fünftel-Mehrheit) entscheidet bei jedem Votum im Plenum die einfache Majorität, während die Durchführung der vom Plenum getroffenen Beschlüsse dem Verwaltungsausschuss obliegt. Selbstverständlich beruht die Entwicklung der Wiener Philharmoniker zu einem Wirtschaftsunternehmen mittlerer Größe auch auf einem Mitarbeiterteam. Jedoch tragen weiterhin die gewählten Funktionäre, also Orchestermusiker, die Letztverantwortung und sind allein zu Entscheidungen berechtigt.

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Künstlerische und unternehmerische Eigenverantwortlichkeit

Die Faszination, welche das 1842 von Otto Nicolai gegründete Orchester seit seinem ersten Konzert auf die größten Komponisten und Dirigenten sowie auf das Publikum in aller Welt ausübt, beruht neben der bewusst gepflegten, von einer Generation an die nächste weitergegebenen Homogenität des Musizierens auf seiner einzigartigen Struktur und Geschichte: Die Notwendigkeit, den symphonischen Werken Mozarts und Beethovens in deren künstlerischer Heimatstadt kongeniale Interpretationen zu ermöglichen, führte 1842 zum Entschluss der Musiker des (Hof-) Opernorchesters, unabhängig von ihrem Theaterdienst in künstlerischer und unternehmerischer Eigenverantwortlichkeit „Philharmonische“ Konzerte zu veranstalten. Dafür war nur eine einzige Organisationsform geeignet - die Demokratie.

Verleihung des Birgit Nilsson Preises an die Wiener Philharmoniker Vergrößern Wiener Philharmoniker © Jan-Olav Wedin

Die Botschaft der Musik

Bei den Konzerten in Wien und der ganzen Welt ist das Orchester heutzutage weit mehr als Österreichs „kultureller Exportschlager“. Die Musikerinnen und Musiker bringen vielmehr mit ihrem Spiel die Ideale des Friedens, der Menschlichkeit und der Versöhnung zum Ausdruck, mit denen die Musik untrennbar verbunden ist. Dazu zählen Konzerte an historischen Orten und schmerzhaften Brennpunkten politischer Geschichte wie im Jahr 2000 das Konzert im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen oder 2014 das Konzert in Sarajewo im Gedenken an den Beginn des 1. Weltkriegs sowie 2018 das Friedenskonzert in Versailles in Erinnerung an das Kriegsende. 2012 wurde das Orchester zum ersten Goodwill Ambassador des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA). Die Wiener Philharmoniker suchen jenes Motto zu verwirklichen, das Ludwig van Beethoven, seiner „Missa solemnis“ voranstellte: „Von Herzen ‒ möge es wieder zu Herzen gehen.“